Schon der Name klingt verheißungsvoll: "Hong Meng" soll das neue Betriebssystem von Huawei heißen. Die beiden Schriftzeichen 鴻蒙 gehen auf die chinesische Mythologie zurück und stehen für nichts geringeres als die Erschaffung von Himmel und Erde. Auch die kommunistische Führung dürfte sich über diesen Namen freuen. Auf chinesisch ausgesprochen kann Hong Meng nämlich auch "Der rote Traum" heißen. Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte kurz nach Amtsantritt 2012 selbst den "chinesischen Traum" beschworen.
Was die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems betrifft, könnte dieser Traum nun schneller in Erfüllung gehen als vor Kurzem noch erwartet. Der Grund dafür ist Donald Trump. Huawei ist nach Samsung aus Südkorea der weltweit zweitgrößte Hersteller von Smartphones mit einem Android-Betriebssystem. Spätestens zum nächsten Frühjahr wollen sie aber ein eigenes System auf den Markt bringen. Hong-Meng OS soll sowohl auf Smartphones und Tablets als auch auf Digitalfernsehern, Bordcomputern und anderen mobilen Geräten laufen können.
Und es soll mit Android-Apps kompatibel sein, kündigte der Huawei-Spitzenmanager Yu Chengdong an, Chef der Konsumelektronik-Sparte. Yu meinte, das neue Betriebssystem werde Android-Apps neu kompilieren und dadurch bis zu 60 Prozent schneller sein. Er hält es für möglich, dass die Software schon im Herbst einsatzbereit sei. Yu hat einen Grund für die Eile, denn möglicherweise kauft außerhalb Chinasbald niemand mehr Huawei-Smartphones.

80.000 Ingenieure und Entwickler

Auf den Geräten für den Weltmarkt installiert Huawei bislang die Handysoftware Android von Google. Im Zuge des Handelsstreits zwischen China und den USA hat US-Präsident Donald Trump vor rund zwei Wochen den "nationalen Notstand" gegen Huawei erklärt und das chinesische Unternehmen auf eine schwarze Liste setzen lassen. Geschäfte mit Huawei müssen seitdem gesondert von der US-Regierung genehmigt werden. Trump wirft Huawei vor, im Auftrag der chinesischen Regierung Spionage zu betreiben. Beweise für diese Vorwürfe hat die US-Regierung, zumindest öffentlich, bislang keine geliefert.
Trumps Dekret zeigte umgehend Wirkung. Nicht nur Chiplieferanten wie Qualcomm oder Intel haben ihre Zusammenarbeit mit dem chinesischen Tech-Riesen gestoppt. Auch Google kündigte an, Huawei das Betriebssystem Android und andere Google-Angebote bis auf weiteres nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Huawei verliert seine Android-Lizenz und damit gehen zumindest für die neuen Geräte Google-Dienste wie der Zugriff auf den Play-Store verloren. Für Käufer außerhalb Chinas würden die Smartphones damit so gut wie wertlos. Vodafone in Großbritannien und Amazon Japan haben Huawei-Geräte bereits aus dem Handel genommen.
Deswegen tritt Huawei die Flucht nach vorn an und will mit der Entwicklung eines eigenen Systems von den beiden US-Anbietern Microsoft und Google sehr viel schneller unabhängig werden. Damit Huawei-Nutzer auch weiterhin aus einem reichhaltigen Angebot von Apps wählen können, soll es nach dem Willen des Konzerns App-Entwicklern möglich sein, den Quellcode des Betriebssystems direkt zur Erstellung von Anwendungen für die neue Plattform zu verwenden. Ein App-Store dürfte auf diese Weise rasch mit nützlichen Miniprogrammen gefüllt sein.
Tatsächlich ist Huawei bereits seit 2012 dabei mit großem Aufwand ein eigenes Betriebssystem für seine Geräte zu entwickeln. Mehr als 80.000 Ingenieurinnen, Ingenieure und Software-Entwickler arbeiten für das Unternehmen, umgerechnet rund 13 Milliarden Euro gibt Huawei für Forschung und Entwicklung aus – im Jahr. Schon lange bevor Trump Präsident geworden ist, hatte Firmenpatriarch Ren Zhengfei das Ziel ausgegeben, unabhängiger von Technik und Software aus den USA zu werden.