Commentary on Political Economy

Saturday 23 January 2021

BRING DOWN THE EVIL CZAR PUTIN!

 

Vorbereitungen auf Proteste Nawalnyj misst sich mit Putin

Massenproteste gegen Korruption im Mai 2017 in Moskau

Unerlaubte Proteste wie in Moskau zuletzt im Sommer 2019 für die Zulassung unabhängiger Kandidaten zu Regionalwahlen werden brutal aufgelöst. Teilnehmern drohen Geldbußen, Arreststrafen bis zu 30 Tagen, sogar Haftstrafen. Vorwände dafür sind schnell zur Hand, wenn es gilt, ein Exempel zu statuieren. So auch im Fall Nawalnyj, der jetzt im Untersuchungsgefängnis „Matrosenruhe“ in Moskau isoliert wird und dem Anfang Februar die Umwandlung einer alten Bewährungsstrafe in eine Gefängnisstrafe droht. Dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Russland in dem Fall verurteilt hat, schert die Machthaber nicht. Die Dreistigkeit des Vorgehens vergrößert die Solidarität mit Nawalnyj über dessen Kernunterstützer hinaus.

Eine „Desakralisierung der Macht“

Nawalnyjs in der EU exilierter Stabschef, Leonid Wolkow, erinnerte an 2013, als der Oppositionelle im ersten großen Strafprozess gegen ihn um den angeblichen Diebstahl von Holz (auch in diesem Fall verurteilte der EGMR Russland später) zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde: Nach einer Spontandemonstration auf dem Manegeplatz am Kreml wurde Nawalnyjs Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Wie damals müsse „massiver öffentlicher Druck helfen“, sagte Wolkow. „Wichtig ist es, keine Angst zu haben und mit aller Kraft zu kämpfen.“ Er versprach Demonstranten, mögliche Bußgelder zu erstatten; dafür werden Spenden gesammelt.

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Die Skepsis zu Wochenbeginn ist der gespannten Erwartung eines Kräftemessens zwischen Nawalnyj und dem Kreml gewichen. Dazu trägt Nawalnyjs jüngste Veröffentlichung von Details zu „Putins Palast“ bei. „Die Geschichte der größten Bestechung“ mit Details zu einem Anwesen nahe Gelendschik am Schwarzen Meer, das Weggefährten des Präsidenten seit eineinhalb Jahrzehnten bauten, wurde seit Dienstagnachmittag auf Youtube mehr als 57 Millionen Mal aufgerufen. Für Nawalnyj ist das ein nie dagewesener Erfolg; seine Enthüllung über Immobilienreichtum des damaligen Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedjew von 2017 ist auf Youtube in bald vier Jahren 38 Millionen Mal aufgerufen worden.

Im März 2017 folgten Zehntausende Russen, vor allem junge und sehr junge, im ganzen Land einem Protestaufruf Nawalnyjs; das war damals eine Überraschung. Jetzt, nach „Putins Palast“, sprechen Politologen von „Desakralisierung der Macht“. Andere lachen schlicht über den Raum für Spielzeugautos mit Fahrlandschaft und die Bar mit Stange für Nackttänzerinnen im Palast oder die Kirche mit Flecktarndach.

Verräter beim Geheimdienst?

Nawalnyj ist es in den vergangenen Jahren gelungen, mit Spendengeldern und unter größtem Druck eine Online-Parallelöffentlichkeit aufzubauen. Der Kreml würde gern gegen amerikanische Internetkonzerne wie Google, dem Youtube gehört, vorgehen (auch dazu gibt es ein neues Gesetz), es gelingt aber nicht. Für Putins Geheimdienste kommt nach der Enttarnung des FSB-Kommandos, das Nawalnyj allem Anschein nach vergiften sollte, mittels Datenlecks die nächste Schlappe: Nawalnyjs Leute kamen an den Bauplan des Anwesens, sprachen mit Arbeitern, konnten trotz Beschattung und Abschottung den Palast mit einer Drohne filmen sowie Film und Dokumentation rechtzeitig zu Nawalnyjs Rückkehr fertigstellen. FSB-Direktor Alexandr Bortnikow muss sich nach Versäumnissen fragen lassen – oder gar, in der Tradition seines Hauses, nach Verrätern dort.

Angesichts des Wirbels musste Putins Sprecher neuerlich Stellung beziehen. Der Präsident sei nie in dem Objekt gewesen und habe keine Beziehung dazu, sagte Peskow am Freitag, bestritt indes nicht, dass die Präsidialverwaltung am Baubeginn des Anwesens beteiligt war. Zudem rechtfertigte Peskow die Warnungen der Sicherheitskräfte, an den „unerlaubten, illegalen Veranstaltungen“ am Samstag teilzunehmen. Keine von ihnen ist gestattet; wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit hatten es Nawalnyjs Mitstreiter nur an wenigen Orten versucht. Sie haben für Dutzende Städte in ganz Russland (sowie für Simferopol auf der annektierten ukrainischen Krim) zentrale Ausgangspunkte für Märsche „für unsere Freiheit und die Freiheit Alexej Nawalnyjs“ angegeben, Beginn soll um jeweils 14 Uhr Ortszeit sein.

Das berüchtigte Untersuchungsgefängnis „Matrosenruhe“ in Moskau am Donnerstag

Nun machen Tipps die Runde, was Teilnahmewillige, neben der Gesichtsmaske wegen der Corona-Pandemie, mitnehmen sollen. Im bei Heranwachsenden populären sozialen Netzwerk „Tiktok“ gibt es zig Millionen Kurzclips zum Thema „Freiheit für Nawalnyj“, sogar welche, in denen Schüler Putin-Porträts in Klassenzimmern abnehmen. Die Medienaufsicht Roskomnadsor forderte „Tiktok“ und andere soziale Medien auf, an Minderjährige gerichtete Demonstrationsaufrufe zu entfernen, was zum Teil erfolgte. Peskow bezeichnete dies als „absolut gerechtfertigt“. Die kremlkritische „Nowaja Gaseta“ machte dubiose, frisch registrierte Nutzerkonten für die Appelle an Minderjährige aus und befürchtete eine Aktion von „Trollen“ des Regimes, mit dem Ziel, Nawalnyjs Leute zu bestrafen, wenn die Sicherheitskräfte „das Blut von Heranwachsenden vergießen“ würden.

Schon lange vor den Demonstrationen begannen die Festnahmen von Mitstreitern Nawalnyjs in mehreren Städten. In Moskau traf es unter anderen Georgij Alburow, der die Bilder von „Putins Palast“ aufgenommen hatte, und Nawalnyjs Sprecherin Kira Jarmysch, die am Freitag zu zehn respektive neun Tagen Arrest verurteilt wurden. In Moskau wurden zudem viele Oppositionspolitiker und Journalisten davor gewarnt, demonstrieren zu gehen. Es dürften dennoch viele versuchen, ins Zentrum der Stadt zu kommen, wo man sich, wie im März 2017, am Puschkin-Denkmal versammeln will. Ihr Kommen kündigte auch Nawalnyjs Frau Julija an: „Für mich, für ihn, für unsere Kinder, für die Werte und Ideale, die wir teilen.“

Angeblicher „Putin-Palast“
Nawalnyj veröffentlicht Video auf Youtube
© AFP

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