Commentary on Political Economy

Tuesday 25 January 2022


Olaf Scholz muss alle Zweifel ausräumen

Was der Kanzler gegen Russlands Aggression zu tun bereit ist? Da rätseln selbst Verbündete. Der Schaden ist groß, denn Olaf Scholz macht es so Wladimir Putin zu leicht.

Ein Kommentar von Carsten Luther 

Dieie Verbündeten haben jedenfalls – manche mehr, andere weniger – verstanden, dass die unmittelbare Bedrohung längst nicht allein auf Kiew gerichtet ist. Sie verstärken ihre Präsenz in Osteuropa, wollen zusätzliche Schiffe, Kampfjets und Truppen schicken. Das ist keine Provokation, sondern ein Signal der Stärke und Solidarität, von denen es gerade nicht genug geben kann. Und wer noch nicht dabei ist, sucht mehr denn je die Nähe der Nato – die Ukraine ohnehin, aber eben auch Finnland oder Schweden. Der Westen rückt zusammen, das ist womöglich Putins größtes Es ist ja nicht so, dass Wladimir Putin sparsam mit Hinweisen wäre, warum die Nato eine gute Idee ist. Der russische Präsident tut, was er kann, um das ihm so verhasste Verteidigungsbündnis populär zu machen. Wollte er wirklich die Staaten in seiner Nachbarschaft davon abhalten, ihre existenzielle Sicherheit und politische Zukunft in einer Annäherung an den Westen zu suchen, er müsste bloß aufhören, ihre Souveränität auf allen Ebenen infrage zu stellen, ihnen zu drohen, sie zu unterwandern und anzugreifen bis hin zur Annexion und schleichenden Invasion im Fall der Ukraine.Verdienst, wenn es dabei bleibt.


Augenscheinlich hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ohne glaubwürdige Abschreckung die Diplomatie keine Chance hat. Dass ein neuerlicher Angriff auf die Ukrainene ohnehin, aber eben auch finnland oder schweden. der westen rückt zusammen, das ist womöglich putins größtes verdienst, wenn es dabei bleibt.


augenscheinlich hat sich die erkenntnis durchgesetzt, dass ohne glaubwürdige abschreckung die diplomatie keine chance hat. dass ein neuerlicher angriff auf die ukraine nur dann abzuwenden ist, wenn die kosten für putin zu hoch wären. dass die prinzipien der europäischen friedensordnung nicht zur verhandlung stehen und es keine erpressten zugeständnisse über die köpfe souveräner staaten hinweg geben wird. nur klappt es bislang eher notdürftig, diese erkenntnis auf ganzer linie auch umzusetzen, und deutschland steht im zentrum der zweifel.registrierenEN

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Die skurrilen Äußerungen des inzwischen geschassten deutschen Marinechefs Kay-Achim Schönbach am Wochenende (Die Krim ist eh verloren, Putin will nicht angreifen, sondern nur den verdienten Respekt) – man möchte sie als Verirrung eines Einzelnen abtun, hoffentlich ist das so. Die weltfremde Einschätzung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU): "Russland ist ein schwieriger Partner, aber kein Feind Europas" – man könnte sich damit beruhigen, dass er kein Kanzler ist und nach dieser Maxime nicht handelt. Den nach dem Tiergartenmord in Berlin gerichtlich festgestellten russischen "Staatsterrorismus" hat er anscheinend verdrängt, nur als Beispiel. Man muss natürlich allerlei Unsinn aushalten in einer Demokratie. 

Es darf ja anders als in Russland jeder meinen, was er will. Ob das nostalgische Verständnis für den russischen Imperialismus dabei weit vom linken Rand der Opposition in Gestalt eines Gregor Gysi daherkommt oder mitten aus der Regierungspartei SPD, macht freilich einen Unterschied. Aber wenn solche Stimmen den Diskurs prägen, offenbart das vor allem eine Leerstelle an der Spitze. Da, wo mit Olaf Scholz einer sitzt, der Führung versprochen hatte, wenn man sie bestellt – was hiermit ausdrücklich noch einmal getan sei.


"Deutsche Arroganz und Größenwahn"

Denn was der Bundeskanzler über die Lage denkt und was er zu tun bereit ist, muss man sich bislang doch eher mühsam aus Interviews und mehrdeutigen Statements zusammenklauben. Scholz selbst sieht das anders; "Ich habe klare Worte formuliert – sie gelten", sagte er zuletzt. Und ja, wer seine leisen Einlassungen wohlwollend auslegt, kommt zu dem Schluss: Im Falle einer russischen Invasion liegen alle Optionen auf dem Tisch, einschließlich eines Stopps der Ostseepipeline Nord Stream 2, die er zuvor noch als rein privatwirtschaftliches Projekt verharmlost hatte, einschließlich weitreichender Finanzsanktionen. Das selbst auf Nachfrage nicht allzu konkret auszusprechen, mag sicher auch der Versuch sein, die eigene Partei ruhig zu halten und der leidvollen Debatte  aus dem Weg zu gehen. Es funktioniert bloß nicht. Eher wächst mit jeder unseligen Wortmeldung die Befürchtung, gute Geschäfte und billiges Gas seien hierzulande wichtiger als so ein kleiner Krieg am Rande Europas. Die Verbündeten kriegen derweil die Krise, die Ukraine sowieso.



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© ZEIT ONLINE, RochanConsulting

In Kiew setzt sich ohnehin der Eindruck fest, dass die Regierung in Berlin das Land nicht genügend gegen die russische Bedrohung unterstützt. Neben den USA liefern inzwischen auch viele europäische Staaten tonnenweise militärische Ausrüstung und Waffen zur Verteidigung im Falle einer Invasion. Deutschland lehnt das weiter ab, finanziert stattdessen ein Feldlazarett und hat offenbar auch Estland daran gehindert, Haubitzen aus alten DDR-Beständen weiterzugeben. Zusammen mit dem Eklat um den Admiral, aus dessen Äußerungen für den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk "deutsche Arroganz und Größenwahn" sprechen, ist das inzwischen mehr als eine vorübergehende Enttäuschung. Es stelle "die internationale Glaubwürdigkeitwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands – nicht nur aus ukrainischer Sicht – massiv infrage", sagt Melnyk. In Ost- und Mitteleuropa gibt es dafür wenig Verständnis, in der Ukraine schreibt die Jewropejska Prawda: "Deutschland wird in der Wahrnehmung der Ukrainer zunehmend zum Komplizen eines Aggressors", eigens auch auf Deutsch. Und schon wird selbst jenseits des Atlantiks die Frage gestellt: Ist Deutschland ein verlässlicher amerikanischer Verbündeter? – und mit "Nein" beantwortet.


DAS BESTE AUS Z+:


Wladimir Putin:

Was will er wirklich?

Zur Abschreckung gehört sicher auch ein gewisses Maß an Unkalkulierbarkeit. Allerdings nur in eine Richtung: Soll der Aggressor ruhig mit härteren Konsequenzen rechnen, als tatsächlich im Anschlag sind. Die große Gefahr in diesen Tagen ist hingegen, dass der russische Präsident unterschätzt, wie hoch die Rechnung für eine offene Invasion oder weitere Angriffe unterhalb dieser Schwelle wäre. Kann schon sein, dass Scholz in diesem Fall entschlossener reagieren würde, als er es sich jetzt anmerken lässt. So weit soll es aber gar nicht kommen, das ist doch das Ziel. Der Kanzler müsste also dringend alle Zweifel ausräumen und den bereits entstandenen Schaden eindämmen. Damit Putin weiß, dass er die Invasion besser bleiben lässt. Damit die Verbündeten wissen, auf wen sie zählen können. Und nicht zuletzt: damit in Deutschland jedem klar wird, um was es geht. Für Europa um alles.

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