Commentary on Political Economy

Saturday 26 February 2022

 Swift und Waffenlieferungen: Und Deutschland trödelt hinterher

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Swift und Waffenlieferungen: Und Deutschland trödelt hinterher

© [M] Artwork ZEIT ONLINE

Diese Bundesregierung ist wirklich hochtalentiert darin, den richtigen Zeitpunkt zu verpassen. Ob sie jämmerlich herumdruckst bei Sanktionen gegen Nord Stream 2 oder es verbaselt, die ohnehin lächerlichen 5.000 Helme dann wenigstens schnell an die Ukraine zu liefern: Verzweifelte Hilferufe aus Kiew reichten nicht, um aktiv zu werden. Erst der Druck der westlichen Staatengemeinschaft führte dazu, dass sich die Bundesregierung bemüßigt fühlte, endlich zu handeln.


Jetzt also Swift. Unfassbar peinlich lange 48 Stunden dauerte es, erst musste eine internationale Empörungswelle Deutschland überrollen, bis sich die Bundesregierung endlich dazu durchrang, den Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem zu unterstützen – aber bitte nur "eingeschränkt". Fürs Protokoll der Weltgeschichte: Damit ist Deutschland das letzte Land, das sich innerhalb der EU zu diesem Schritt entschieden hat. Selbst Italien, das ebenfalls noch länger als andere Mitgliedsstaaten gezögert hatte, war schneller. Und sogar Ungarn. Ausgerechnet Ungarn, dessen Ministerpräsident aus seiner Bewunderung Putins nie einen großen Hehl gemacht hat, schwenkte noch schneller um als Berlin. 

Aber nicht nur das. Von diesem Samstag, an dem schwere Explosionen und Schüsse aus Kiew gemeldet wurden, noch mehr Menschen ihr Leben verloren haben, werden drei Dinge in Erinnerung bleiben.

Überraschender Kurswechsel

Erstens: Dass ein polnischer Regierungschef eigens nach Berlin reisen musste, um Deutschland umzustimmen. Ausgerechnet Polen, das sein nationales Recht über das europäische Recht stellen will, Gesetze gegen Homosexuelle und Transgender erlässt, warf der Bundesregierung "steinernen Egoismus" vor und appellierte an die Verantwortung Deutschlands in der Welt.  

Zweitens: Dass die Bundesregierung völlig überraschend einen Paradigmenwechsel hinlegte und zustimmte, dass Panzerfäuste und Boden-Luft-Raketen aus deutscher Produktion und Bundeswehrbeständen an die Ukraine geliefert werden dürfen. Eine Bundesregierung, die sich in den vergangenen Wochen sogar noch zierte, ihre Zustimmung zum Export von Haubitzen aus – Achtung – DDR-Beständen an die Ukraine zu geben. Die um ihre Leben fürchtenden Menschen in der Ukraine und ein völlig unberechenbarer russischer Präsident mögen es nötig machen. Aber dieser plötzliche Kurswechsel ist mindestens erklärungsbedürftig, will man das ohnehin angekratzte Vertrauen der Menschen in die Politik nicht noch weiter unterwandern.


Und drittens: Dass ausgerechnet die klimabewegten Grünen sich plötzlich darum sorgten, dass Deutschland seine Rechnungen für fossile Energien wie Gas, Kohle und Öl nicht mehr bezahlen könnte. Außenministerin Annalena Baerbock hatte gewarnt, dass der Ausschluss Russlands von Swift massive Kollateralschäden haben werde. Unter anderem könnten dann Energieimporte nicht mehr finanziert werden.

Ein gespaltenes Europas

Zweifellos sind dies schwere Tage in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Um die Entscheidungen, die unsere Spitzenpolitikerinnen und -politiker zurzeit treffen müssen, sind sie wahrlich nicht zu beneiden. Aber was erschüttert: Wie lange diese Regierung braucht, um dem Aggressor in Russland wirklich mit ganzer Kraft entgegenzutreten. 

Stattdessen treibt ausgerechnet Deutschland die Spaltung Europas voran. Auf der einen Seite ist da ein tief verängstigtes Osteuropa, das angesichts des russischen Kriegszugs um seine Sicherheit und seine Zukunft bangt. Auf der anderen Seite steht Deutschland, die stärkste Volkswirtschaft innerhalb der EU, die sich darum sorgt, dass bei einem Swift-Ausschluss deutsche Kohlekraftwerke nicht weiterlaufen könnten.  


Keine Frage: Die finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahme werden schwerwiegend sein, auch das deutsche Wirtschaftswachstum wird darunter leiden. Die steigenden Energiepreise werden vor allem sozial schwache Haushalte treffen. All das sind berechtigte Sorgen. Aber dafür gibt es Lösungen, wenn man es wirklich möchte. Diese Wahlfreiheit haben die Menschen in der Ukraine gerade nicht.

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